Archiv für den Monat: April 2015

Intraoperative Hypothermie

In den 1980 Jahren mussten wir feststellen – und das besonders aus eigener Erfahrung bei der Lebertransplantation, die auf Grund der Indikation bei terminal chronisch Lebererkrankten angewandt, mehrerer Stunden (in Einzelfällen bis 30 Stunden!) gedauert hat, dass die intraoperative Hypothermie ein limitierender Faktor war. Besonders die Coagulopathie stand anfangs im Vordergrund und nicht selten wurde dei Operation nicht ganz beendet und die Patienten auf der Intensivstation aufgewärmt bis sie neuerlich operiert wurden. In den 1990er Jahren kam die Erkenntnis, dass die intraoperative Hypothermie noch weitere negative Auswirkungen auf den postoperative Verlauf hat. Besondere Berücksichtigung fand die Auswirkung auf eine erhöhte Wundinfektionsrate (SSI). Die entscheidende Veröffentlichung war die von Kurz et al. 1996, die im NEJM erschienen ist [1]. Diese Erkenntnisse führten zu Leitlinien, unter anderem auch der WHO. Daraufhin fanden intraoperative Maßnahmen, wie angewärmte Infusionen, Forced-air Warming Blankets, wie der Bair Hugger, statt, die dafür sorgten, dass die intraoperative Kerntemperatur der Patienten relativ konstant bleibt und heute nicht mehr ein vordergründliches Problem darstellen sollte. Dies konnte nun eine auf dem NSQIP (American College of Surgeons National Surgical Quality Improvement Program) basierende jüngste Untersuchung bestätigen[2; retrospektive Kohortstudie an einem Teriären Krankenhaus an 296 erwachsenen Patienten mit Koloneingriffen zwischen 2005 und 2009]. Die Werte: intraoperative Temperatur, 35,9°C (0,6°C); Nadir 34,3°C (2,8°C); 4,7% (10,8%) der Zeit im Nadir und knapp die Hälfte (49.9% (42.0%)) der Zeit mit einer Kerntemperatur unter 36,0°C. Die Rate an SSI nach 30 Tagen war nicht abhängig von der intraoperativen Temperatur und betrug 12,2%. Ledifglich der Body Mass Index (BMI) war in allen 4 Regressionsanalysen ein unabhängiger Parameter für das Auftreten einer SSI (odds ratio: 1,39; 95% CI: 1,10-1,76; P = 0,007). Kritisiert werdne kann, dass nur 296 der insgesamt 868 Patientern mit Kolonresektion in die Studie aufgenommen wurden und dass nciht explizit zwischen oberflächlicher, tiefer und organbezogener SSI unterschieden wurde, sondern alle gemeinsam evaluiert wurden. Auch wurde nicht zwischen konventioneller und laparoskopischer Methode unterschieden. Nichts desto trotz, die extremen intraoperativen Temperaturauslenkungen, wie sie noch vor 20 Jahren beschrieben wurden, scheinen der Vergangenheit anzugehören. Unter diesen Umständen spielt die geringe Variation der Kerntemperatur und die eher kurze Zeit in der sie immer noch auftritt in Bezug auf die SSI keine vordringliche Rolle mehr zu spielt. Das ist meiner Meinung nach als ein Erfolg der interdisziplinären Zusammenarbeit im OP anzusehen. Daher können wir unser Augenmerk auf zusätzliche Gebiete, wie der Hyperoxie, „goal-directed“ Flüssigkeitsmanagement [3], minimal invasive Operationsmethoden, etc., die eine Rolle bei der Verhinderung der SSI spielen, richten.

[1] Kurz A et al. Study of Woundinfection and Temperature Group. Perioperative normothermia to reduce the incidence of surgical wpound infection and shorten hospitalisation. NEJM 1996;334:1209-15

[2] Baucom RB et al. Association of Perioperative Hypothermia During Colectomy With Surgical Site Infection. JAMA Surg. Published online April 22, 2015

[3] British Consensus Guidelines on Intravenous Fluid Therapy for Adult Surgical Patients (GIFTASUP). London: NHS National Library of Health. http://www.ics.ac.uk/intensive_care_professional/standards_and_guidelines/british_consensus_guidelines_on_intravenous_fluid_therapy_for_adult_surgical_patients__giftasup__2008

Nachlese 119. FS: Metastasenchirurgie an Lunge und Thoraxwand

Hezlichen Dank an Fr. Prof.in F.M. Smolle-Jüttner
Die Chirurgie von Lungenmetastasen ist keine „Gelegenheitschirurgie“. Sie erfolgt unter der Intention der radikalen Entfernung aller Läsionen in der Lunge unter Ausnutzung des gesamten Spektrums der Thoraxchirurgie. Suboptimaler Zugangsweg oder inadäquate Resektionstechnik haben oft R1-Situationen zur Folge, die bei Patienten mit potentiell kurablen Malignomen letale Folgen haben können.

Die Resektion von Thoraxwandmetastasen muss ohne Kompromisse im Hinblick auf die Größe des
entstehenden Defekts erfolgen. Die Rekonstruktion ist im Vorfeld interdisziplinär zu planen und entsprechend auszuführen.

Die Indikation zur Resektion von Metastasen der Lunge bzw. von metastatisch befallenen Anteilen der Thoraxwand ist Teil interdisziplinärer onkologischer Therapiekonzepte. Daher muss sie in jedem Fall im Rahmen interdisziplinärer Tumorboards gestellt werden. Die Zielsetzung kann sowohl kurativ sein (Tumore, bei denen Metastasenresiduen nach Chemotherapie vorliegen), oder der Lebensverlängerung dienen, wenn bei langsam wachsenden Läsionen kaum andere Therapieoptionen als die Resektion vorhanden sind. Oft wird die Indikation zu mehrfachen, oft bilateralen Rezidiveingriffen gestellt. Weder Zahl noch Lage oder Lateralität von Lungenmetastasen oder das Intervall zur Therapie des Primums haben eine eindeutige Korrelation mit der Prognose, die primär vom Tumortyp abhängig ist. Tendenziell sind jedoch die Überlebensraten im Fall singulärer, peripher gelegener kleiner Herde am höchsten.
Die laterale Thorakotomie stellt den optimalen Zugangsweg dar. Im Gegensatz zu Sternotomieverfahren erlaubt sie das
exakte, palpatorische Auffinden aller Herde und sichere „no-touch“ Chirurgie an allen Lungenabschnitten. Je nach Lage und Größe der Läsion werden Tumorektomie, anatomische Segmentresektion oder Lob- bzw. nur in Einzelfällen Pneumonektomie eingesetzt. Die intraparenchymale Oberfläche der Metastase darf intraoperativ nicht zur Darstellung kommen. Keilresektionstechnik mit dem Stapler soll nur eingesetzt werden, wenn Läsionen oberflächlich und günstig entfernbar sind. Dabei wird allerdings mehr Lungenparenchym geopfert als bei der Tumorektomie, Rezidiveingriffe sind unter Umständen funktionell erschwert. Vor allem ist der Resektionsabstand zur Metastase oft schwer abschätzbar.
Die videoassistierte, thorakoskopische Metastasektomie ist als Zugangsweg für die Metastasenchirurgie mit großem Vorbehalt zu sehen: Bei multiplen, bzw. tief gelegenen Herden ist das Verfahren nicht indiziert: Durch die Staplerresektionen würde einerseits zuviel Parenchym geopfert, vor allem ist die systematische Palpation der Lunge nicht möglich: Im CT nicht dargestellte Läsionen bleiben in situ. Der bei Staplerresektionen schlecht abschätzbare Abstand zur Läsionsoberfläche kann zudem zu fataler Tumorstreuung führen.
Die häufigsten Indikationen für Resektionen der Thoraxwand sind per continuitatem infiltrierte Lungenmetastasen bzw. lokoregionäre Rezidive von Mammakarzinomen. Wegen der eingeschränkten Einsetzbarkeit der Schnellschnitthistologie (ossäre Strukturen), muss ein weiter makroskopischer Resektionsabstand eingehalten werden, der auch vorangegangene Zugangswege zum Tumor bzw. Drainaustrittsstellen umfasst. Die resultierende Defektgröße darf kein Kriterium für fehlende Radikalität sein. Interdisziplinäre Eingriffsplanung mit der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie ermöglicht auch bei ausgedehnten, allschichtigen Resektionen eine funktionell valide und ästhetisch ansprechende Rekonstruktion auch unter Einsatz von Compound-Techniken.

Ein bisschen Statistik muss sein

  • Prävalenz: die Häufigkeit, in der eine bestimmte Krankheit (oder ein bestimmtes Merkmal) in einer bestimmten Bevölkerung (Population) vorkommt. Beispiel: 1991 waren in Österreich 8.5% der Bevölkerung über 20 Jahren adipös. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der Adipösen an der erwachsenen Gesamtbevölkerung 11%. Letalität ist auch ein Art Prävalenz (Anzahl der an einer bestimmten Krankheit Verstorbenen zur Anzahl neuer Fälle). Es müsste daher streng genommen Morbidität und Letalitätskonferenzen heißen, da immer der Häufigkeit an Verstorbenen bestochen wird.
  • Inzidenz: Anzahl der Neuerkrankungen in einer Population an einer bestimmten Krankheit während einer bestimmten Zeit (standardisierbar!). Beispiel: Auftreten von 76 Myokardinfarkten bei 2000 rauchenden Männern im Alter von 60 bis 80 Jahren während einer Beobachtungszeit von 1 Jahr. Inzidenz= 76 / 2000= 0,038 oder 3,8%. Mortalität ist die Anzahl der Todesfälle pro Gesamtbevölkerung pro Zeit (rohe Mortalität). Oder spezifisch in Bezug auf eine definierte Population. Altersspezifische Mortalität (zum Beispiel Kindersterblichkeit) oder Müttersterblichkeit.
  • 4 Felder Tafel (2×2)
Krankheit ja Krankheit nein
Test pos richtig pos falsch pos total pos
Test neg falsch neg richtig neg total neg

zur Auflockerung bevor es schwieriger wird, so könnte eine 2×2 Tafel auch aussehen: Bildschirmfoto 2015-04-08 um 21.58.40

  • Sensitivität = richtig pos / (richtig pos + falsch neg) = Wahrscheinlichkeit eines pos. Testergebnisses bei bestehender Erkrankung
  • Spezifität = richtig neg / (richtig neg + falsch pos) = Wahrscheinlichkeit eines neg. Testergebnisses ohne Erkrankung
  • Positiver Vorhersagewert: PPV: = richtig pos / (richtig pos + falsch pos) = Wahrscheinlichkeit dass die Krankheit vorliegt, wenn der Test positiv ist
  • Negativer Vorhersagewert: NPV: = richtig neg / (falsch neg + richtig neg) = Wahrscheinlichkeit dass die Krankheit nicht vorliegt, wenn der Test negativ ist
  • 95% CI (Konfidenzintervall): Das 95%-Konfidenzintervall ist derjenige Bereich in dem der wahre Messwert mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% liegt . Der wahre Wert ist eigentlich unbekannt und würde sich nur durch „unendlich“ viele Messungen bestimmen lassen. Der wahre Messwert wird aber approximiert durch den sog. „Point estimate“ (=aktueller Messwert), der im Zentrum des Konfidenzintervalls liegt.  Je grösser die eingeschlossene Anzahl Probanden in einer Studie und je geringer die Standardabweichung, desto enger wird das Konfidenzintervall. Der Vorteil, die Genauigkeit von Messresultaten mit Hilfe von Konfidenzintervallen anzugeben, liegt darin, dass die Verlässlichkeit der Resultate quantifiziert werden kann.
  • P-Wert: besagt lediglich, ob ein Resultat statistisch signifikant ist oder nicht, lässt aber keine Aussage über die quantitativen Unterschiede zu. Wird in der Praxis maximal überbewertet

Appleby Prozedur

Erstmals von Appleby 19531 für das den Trunks infiltrierende Magenkarzinom beschrieben. Heute meist bei Pankreaskörperkarzinomen angewandt, bei denen aus Radikalitätsgründen der Trunks coeliakus mitreseziert werden muss. Obwohl man sagen muss, dass die Infiltration der Arterien, im Gegensatz zur Pfortader und/oder Vena mesenterika superior [VMS], beim Pankreaskarzinom nur in extremen Ausnahmefällen indiziert ist (Prognose: Infiltration Pfortader/VMS -> 12-13 Monate mittleres Überleben; Infiltration AMS -> 6-9 Monate)2, kann in Einzelfällen eine Resektion der Trunkus sinnvoll erscheinen3. Die Leber wird dabei über die pankreato-duodenale Arkade arteriell versorgt. Diese besteht aus den pankreatikoduodenalen Arterien (A. pankreatikoduodenalis posterior superior, A. pankreatikoduodenalis anterior superior und die Aa. pankreatikoduodenalis posterior und anterior inferior) mit Ursprung aus der Arteria mesenterika superior, die über die Art. gastroduodenalis bei normaler Anatomie zur Art. hepatika propria führen – siehe Abbildung.

1Appleby LH. The coeliac axis in the expansion of the operation for gastric carcinoma. Cancer 1953;6:704-7

2Boggi U. et al. Surgery. 2009;146:869-81
Wang C. et al. J Gastrointest Surg, 2008;12:2183-90

3Rory L. Smoot, John H. Donohue. Modified Appleby Procedure for Resection of Tumors of the Pancreatic Body and Tail with Celiac Axis Involvement. Journal of Gastrointestinal Surgery
2012;16: 2167-69

Appleby