93. Jahrestagung der Vereinigung der Bayerischen Chirurgen – Bericht

 17. – 19. Juli 2019 in Bamberg, von Univ.-Prof.Dr.A.Tuchmann

Persönliche  BemerkungDer Bayerische Chirurgenkongress findet jedes Jahr Mitte Juli  statt und bietet  eine ideale Möglichkeit, sich in der „kongressfreien“ Zeit weiter zu bilden, fachlich auszutauschen, Netz-zu- Werken, etc. – Macht doch davon Gebrauch, insbesondere in den angrenzenden Bundesländern Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Der folgende Kongressbericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und auch nicht auf 100%ige Richtigkeit. Er gibt die persönlichen Eindrücke eines Kongressbesuchers/A.Tuchmann wieder. Besonderer Fokus sind Innovation in der Chirurgie mit Autorenhinweis, sowohl hinsichtlich „Wer macht was in der Chirurgie in Deutschland?“ als auch weiterführende Literatur weltweit.

Robotik in der Chirurgie: Vortrag Prof.Stein aus Nürnberg:  Haben seit 2016 das Xi-System; Literatur: Zureikat JAMA 2015: 150 Conflict of interest: 33 Studien gibt es, alle sind bezahlt. Literatur: Criss, Ann. Surg. 269(2019) Nürnberg: N=100 (jetzt 250), nach 100 Fällen wurde Bilanz gezogen: kolorektale Roboterchirurgie wurde aufgegeben, weil sie keinen Vorteil bietet; Roboter für Ösophagus, Pankreas, bariatrische Chirurgie und Thoraxchirurgie. Literatur: Van der Sluis, Ann. Surg. 269 (2019): Robot Trial; die Ergebnisse waren lediglich besser, weil die Pneumonierate viel geringer war. Interessante Studie über Wohlfühlfaktor bei Robotik; gemessen mit EEG, EMG; siehe Dalsgaard Ann. Surg. 2019. Die FDA warnt allerdings vor Robotik in Zusammenhang mit Mammakarzinom (wer operiert Mammakarzinom mit dem Roboter??); siehe JAMA, Vol. 321; Mai 2019.

Hernienchirurgie/Narbenhernie: Dr.Lammers aus Neuss

Offenes IPOM benötigt 5 cm Overlap und Subcutannähte eventuell unter Einbeziehung des Bruchsackes, damit das Netzt vor Hautinfektionen geschützt ist. Bei Infektion muss das Netz nur explantiert werden, wenn der Patient septisch ist; sonst kommt man mit dem VAC-System aus. Klassifikation .. W3 = Hernie größer als 10 cm Literatur: Surg. Endosc. 2019, Autoren: Lavanchy, … Beldi

Sitzung  How I do it:
Fürst aus Regensburg über TaTME oder TAMIS. In Regensburg operieren zwei Teams (tiefe vordere Resektion); Air Seal zur Rauchabsaugung, Single Port von Applied plus Neuromonitoring. Literatur: Bendeven, BJS 100: 135 (2013): in 37% aller TME’s bleiben Residuen vom Mesorektum im Patienten!!

Irrigationsbehandlung gegen LARS (Syndrom der tiefen vorderen Resektion); Die Anatomie ist zu beachten!!, siehe Thilo Wedel, Anatom aus Kiel, Körperspende-Kurse (dh. soviel wie Operieren an der Leiche). Bei tiefer vorderer Resektion und TAMIS ist die Urethra in Gefahr! Standards der mesocolischen Excision, Literatur bei Strey et al, Surg. Endosc. 2018; siehe aber auch Stefan Benz.
Ad Op.technik: 1.Schritt Vena ileo-colica, .. nächster Schritt: rechter Ast der Art.colica media, .. das ist auch robotisch möglich.
Appear-Technik (Dr.Horling aus Kaufbeuren): Betrifft tiefes Rektum zwischen 0 und 6 cm; siehe auch Rullier (Bordeaux) und intersphinktäre Resektion; ventraler Zugang zwischen Rektum und Vagina, Darm durchziehen, abstaplen.

Leitlinien: Rektum (von Prof. Germer aus Würzburg):

Nach Radiochemotherapie eher länger als 8 Wochen zuwarten; Nach Radiochemotherapie sind weniger Lymphknoten zu finden! Robotische Chirurgie: onkologisch gleich, Konversion weniger, OP-Zeit länger.Tiefes Rektum wird in Würzburg nur mehr mit Robotik gemacht. Zu Diskutieren ist das Watch and Wait-Verfahren bei kompletter Remission durch Radiochemotherapie. TaTME wurde in Norwegen gestoppt wegen hoher Lokalrezidivrate!!

Leitlinien: Pankreas (von Prof. Friess MRI)

Leitlinien siehe auch Säufferlein Z.Gastroent. 2013 Lymphknoten sollten mehr als 10 sein, eher 15. Yeo, Ann.Surg. 2002; je mehr Lymphknoten entfernt werden, desto höher ist die Rate der Lymphknotenmetastasen. Bei Linksresektion mindestens 20 Lymphknoten. Kopfresektion: Mehr als 10 Lymphkoten ist zu wenig! Lokale Irresektabilität: Literatur: Hackert, Ann. Surg. 2016; 600 Fälle neoadjuvante Therapie, Resektabilität wird in 51% erreicht; von den so resezierten Fällen waren dann 33% R-0.
Folfirinox als Chemotherapie: 3-Jahresüberleben: 23% versus 2,4%!! Jang et al, Ann. Surg. 2018: 41 versus 20% überleben.
Boarderline-Fälle: Van Tienhoven (neoadjuvante Therapie): Überleben 16 versus 29 Monate.
Arterienresektion? Mollberg et al 2011, diese Arbeit ist veraltet! – aus Japan Sonohara EJSO 2019: Arterienresektion ist möglich, insbesondere bei Chemotherapie-Vorbehandelten.
Weitere Literatur: Del Chiaro aus dem Karolinska-Hospital Stockholm, jetzt ist er in Denver; HPB 2018: Forciert Arterienresektion. Zeitpunkt der Operation nach Chemotherapie: nach 8 Wochen spätestens operieren, .. das ist veraltet!

Metastasenchirurgie (von Prof. Schlitt aus Regensburg):

Diagnostisch wichtig sind PET und intraoperative Sonographie
Literatur: Crippa, Eur. J. Surg. Oncol. 2016;
Rolle der Laparoskopie bei der Pankreas-Links-Resektion.

Aus der Chirurgischen Forschung:

Walter Brendel Preisträger-Sitzung: Eine Arbeitsgruppe aus München/Boston berichtet (Referent F.Kühn) über Darmbarriere-Dysfunktion und Endoxinämie als Ursache für Altern und Gebrechlichkeit: Der Darm spielt eine Rolle beim Altern, weil die Barriere/Darm, Mikrobiom, brüchig wird, gleichbedeutend mit Permeabilität der Darmwand. Dadurch kommt es vermehrt zu Entzündungen, Endotoxine, Cytokine in der Leber.

Sitzung: Braucht es Mindestmengen in der Grundversorgung?
Betreff Schilddrüsenchirurgie: Es ist literaturmäßig bewiesen, dass die Recurrensparese-Rate von 4 auf 2% sinkt, wenn mehr als 100 Thyreoidektomien pro Jahr gemacht werden.
Literatur aus USA: Dort ist ein High-volume-Zentrum bereits, wenn mehr als 30 Schilddrüsen pro Jahr operiert werden; als Low volium gilt 1-3 Schilddrüsenoperationen pro Jahr!
Deutschland: 50 Thyreoidektomien pro Jahr sollten gemacht werden; danach dürften 2/3 aller Kliniken in Deutschland keine Schilddrüsenoperationen mehr machen.

Sitzung über Register in der Chirurgie und StuDoQ-Register/DGAV:
Vorträge von Herrn Klinger aus Berlin und Prof. Buhr aus Berlin über den derzeitigen Stand der StuDoQ-Register und den Risikokalkulator.
StuDoQ-Register Leber/Pankreas (Frau Prof. Nüssler aus München): Welche Daten erfassen die DGAV-Register?, in diesem Fall Pankreas: Operationen, Diagnose, Risikoadjustierung und damit Qualitätsaussage; Stadium, Begleiterkrankungen, Qualität der Indikation,
Feedback für alle teilnehmenden Kliniken!
Bis 1980 war die Letalität von Pankreaskarzinomoperationen über 30%!
Aktuell 2% bis 23%; die Letalität sollte maximal 5% betragen. Fistelrate 5-25%; Blutung 5-16%. Realistische Daten, Selektionsbias, Publikationsbias….Tatsächliche Versorgung?
Literatur: Krautz (Erlangen): die 90 Tage Letalität in Deutschland beträgt 10%, also doppelt so hoch als erwartet! Allerdings werden 30% der Patienten in Very low-volume-Kliniken behandelt. Very low bedeutet weniger als 5 Pankreasoperationen pro Jahr; davon sind in Deutschland 398 (!!) Spitäler betroffen; nur 15 Krankenhäuser sind Very high volume -Zentren, das heißt durchschnittlich 134 Operationen pro Jahr.
Literatur: Nimptsch, BMJ 2017: Failure to Rescue, und das ist das, was ein kleines Krankenhaus nicht kann! In kleinen Krankenhäusern besteht vor allem das Risiko an Komplikationen zu versterben: Dieses ist in sogenannten kleinen Krankenhäusern 3x so hoch. 

Qualitätsindikatoren: Mortalität, Transfer in ein anderes (High volume) Krankenhaus, Liegedauer mehr als 30 Tage. StuDoQ erfasst Komplikationen und Risikofaktoren: Alter, BMI, ASA-Kriterien, mittlere OP-Dauer, Komplikationen nach Clavien-Dindo. Ikterus, Leberzirrhose, Alkohol (letztere haben tatsächlich Einfluss auf das Outcome). Erfasst wurden 5734 Fälle (Pankreas)  MTL (Outcome nach Pankreasresektion) In derselben Sitzung wurde der  aktuelle Stand des Herniamed-Registers vorgestellt (Köckerling): Für die Diagnose sind wichtig Sonographie und dynamische MRT, vor allem für präperitoneale Lipome, die Beschwerden machen können und im Fall einer Operation Patienten beschwerdefrei machen. Herniamed umfasst mittlerweile 653.000 Patienten. Literatur: Über MILOS: Reinpold, Ann. Surg. 2019; 269:748

Eine Sitzung befasste sich mit Reflux und Operationen der Cardiaregion: Für eine gute Operationsindikation sind immer Symptome in Relation zu Untersuchungsergebnissen zu stellen: Refluxbeschwerden, Regurgitation, Sodbrennen, QOL Historie: Nissen 1956, Toupet 1963 Literatur: Garg, Cochrane Data Base 2014: Vergleich Fundoplicatio versus PPI’s. allerdings schlechte Datenqualität. Nebenwirkung der PPI’s Clostridium difficile-Infektionen häufiger, Pneumonie, Nephritis, Osteoporose (?). Unter Refluxliteratur wird noch ein Dr. Roks, BJS 2018 zitiert; weiters Oor J.E., Ann. Surg. 2018. 26% nehmen nach Fundoplicatio weiter PPI’s; es ist nicht nur der saure Reflux zu messen, sondern auch der Volumen-Reflux!
Spätergebnisse: Häufig besteht Reflux weiter, aber keine Symptome!
LINX: 22.000 Systeme wurden bereits implantiert, 10% wieder explantiert; zur Diskussion steht bei dieser Methode der mechanische Druck auf ein biologisches Gewebe (?!!).
Prof. Gutt/Memmingen über Antireflux-Schrittmacher (Endostim): Vorteile der Methode: kein gas bload, keine Dysphagie; eine Hiatoplastik ist zusätzlich zu machen. Eine gute Indikation liegt vor, wenn Sodbrennen trotz PPI weiter besteht! Es gibt eine multizentrische Registerstudie mit 25 Zentren, fast 500 Patienten, Ergebnis: signifikante Verbesserung der QOL; die Säure-Exposition ist geringer, daher weniger Husten, weniger Infekte der oberen Atemwege. Eigene Erfahrung über 32 Fälle, bei 2 Fällen musste das System wieder ausgebaut werden; bei allen Fällen ist der DeMeester-Score signifikant zurückgegangen.
Mögliche Komplikationen: Muskelfibrillationen, Sondenbruch (z.B. bei Sturz von einer Leiter).

Weitere Vorträge über Fundoplicatio, Netzanwendung, Re-Do-Fundoplicatio
Literatur: Surg. Endosc. (2018), 32:337 4
Nissen: mehr gas bload, mehr Dysphagie
Wenn LINX, dann zusätzlich Hiatoplasik: besser für Aufstoßen, Erbrechen; weniger Dysphagie.
Bei Netzanwendung: weniger Rezidive?, Nutzen biologischer Netze?, tendenziell mehr Dysphagie; Netzanwendung eher bei Rezidiv, Zwerchfellhernie.

Vortrag Prof. Stein über Karzinome des gastroösophagealen Überganges:
Siewert Typ II: Es ist immer noch nicht klar, ob ösophagektomiert werden soll (1/3 der Fälle) oder erweitert gastrektomiert werden soll (2/3 der Fälle).
Literatur: Haverkamp, Dis. Esoph. 2017
In Asien und Südamerika wird bei Typ II eher gastrektomiert, USA und Europa sind geteilt.
Ergebnisse der Chirurgie: Anastomoseninsuffizienzen bis zu 10%, allerdings werden 90% überlebt. Bei Anwendung der minimal-invasiven Chirurgie sind pulmonale Komplikationen seltener, außerdem bessere QOL; – da wird es eine Studie von Frau Prof. Bruns, Köln, geben!

Prof. Hölscher, Frankfurt, stellt die Double tract-Rekonstruktion nach Resektion des gastrooesophagealen Übergangs vor: Die Methode kommt aus Korea; der distale Magen wird erhalten und in den ableitenden Schenkel anastomosiert. Grundlage dafür ist, dass bei AEG-Karzinomen, Typ I und II, 2.800 Fälle, Lymphknotenmetastasen in weniger als 1% bestehen;
Literatur: Yamashita, Gastrec. Cancer 2017, sowie Kitagava (ebenfalls nur 1%). Vorteile der Double tract-Rekonstruktion: Vitamin B12-Zufuhr ist nicht notwendig: Omentektomie ist auch nicht notwendig (die Asiaten machen das schon lange nicht mehr), bessere QOL.

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